Ren Dhark
     
Hajo F. Breuer
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thema Technische
(Un-)Möglichkeiten
Die Supertechnik in der SF

von Hajo F. Breuer

Science Fiction bezieht ihre Faszination zu einem großen Teil aus der in ihr beschriebenen Technik von morgen, die uns phantastisch und geheimnisvoll erscheint. Wie rasch diese Technik manchmal von der Wirklichkeit regelrecht überrollt wird, mag ein Beispiel aus Ren Dhark zeigen: Die terranischen Großrechner in den Romanen, die Suprasensoren, warfen ihre Ergebnisse auf Folien aus. 1966, als Kurt Brand die Serie ersann, wären ihm vermutlich irdische Rechner mit Sprachausgabe als zu phantastisch erschienen. Dabei arbeitet man heute in der Realität schon konkret an der Gedankensteuerung für den heimischen PC.

Die Gratwanderung zwischen möglichem, nachvollziehbarem technischen Fortschritt und utopistischem technischen Märchen beherrschte Jules Verne perfekt. Er erfand U-Boote, Telefone, Luftschiffe und den Flug zum Mond lange bevor sie Wirklichkeit wurden. Seine Beschreibung des Mondflugs ist dabei besonders interessant: Aus den seinerzeit zur Verfügung stehenden Daten errechnete er ziemlich exakt die Geschwindigkeit, die man braucht, um das Schwerefeld der Erde zu verlassen und den Mond zu erreichen.

Nur der Weg, den er sich zum Mond ausgedacht hatte, war nach unserem heutigen Wissen nicht gangbar: Jules Verne ließ seine Helden mit einer Riesenkanone auf den Mond schießen. Rein theoretisch wäre eine solche Kanone sogar realisierbar – allerdings würden in der Praxis die Insassen des Geschosses von den auftretenden Andruckkräften zu Tode gequetscht. Somit ist die Vernesche Lösung eine typische für die SF: Im Prinzip funktioniert sie, aber die Tücken liegen im Detail...

Warum auch nicht? Die wenigsten SF-Autoren sind Naturwissenschaftler, und wenn man eine technische Neuerung aus der Literatur in der Praxis überprüfen könnte, wäre sie keine SF mehr, sondern Realität. Ein guter SF-Autor muß kein Ingenieur oder Techniker sein. Er sollte nur über ausreichend naturwissenschaftliche Allgemeinbildung verfügen, um seine Ideen in plausiblem Rahmen zu halten. Und er muß sich für Zukunftstechnik, die unsere heutigen Möglichkeiten extrem übersteigt, ein in sich schlüssiges System ausdenken.

So sind beispielsweise Überlichtflüge nach dem aktuellen Stand der Technik absolut undenkbar. Wie sie einmal bewerkstelligt werden – falls das überhaupt jemals möglich sein sollte –, kann man nicht einmal erahnen. Allerdings steht es jedem Autor frei, zu spekulieren. An dieses von ihm ersonnene System aber muß er sich dann auch konsequent halten. So hat zum Beispiel Ren Dhark-Autor Jo Zybell für seine neue Serie Terra 55oo einen komplett neuen technischen Kosmos erfunden, den er dann in dieser Serie auch niemals verläßt. Nur so macht SF wirklich Freude: Ein System wird vorgegeben. Nur wenn man sich konsequent daran hält, erscheint es hinreichend möglich oder denkbar, um Lesespaß zu gewährleisten. Das ist bei anderen spekulativen Genres nicht anders: Die Gesetze einer Vampirgeschichte würden gebrochen, wenn man Dracula plötzlich mit einer Silberkugel töten könnte oder ihn beim Sonnenbaden überraschen würde.

Eines diese ungeschriebenen Gesetze wurde im frühen Ren Dhark scheinbar immer wieder gebrochen: Viele technische Systeme an Bord der POINT OF wurden weit über 100 Prozent hinaus belastet, Intervallfeldüberlastungen von 800 Prozent waren keine Seltenheit. Ich möchte eine Analogie verwenden: Ein Benzinmotor von heute hat eine Höchstdrehzahl von rund 6500 U/min. Ein kurzfristiges Überdrehen auf 6800 schadet so einem Motor nicht, wenn es auch seine Lebensdauer verkürzt und deswegen heute meist elektronisch verhindert wird. Aber eine achtfache Überlastung? Bei 52 000 U/min. wäre selbst ein Formel-1-Motor schon längst explodiert.

Trotzdem waren diese unglaublichen und letztlich unrealistischen Überlastungswerte der POINT OF in der Serie logisch angelegt, wenn das auch nicht von Anfang an klar wurde: Denn das Raumschiff flog mit beinahe leerem Tank, war sozusagen im Sparbetrieb unterwegs. Analog zum Automobil würde das bedeuten, daß ich auf der Autobahn nur noch mit 1800 U/min. dahinrollen kann, wenn kaum noch Sprit im Tank und die nächste Raststätte noch kilometerweit entfernt ist. In einer Notsituation allerdings stünde mir das gesamte Leistungsspektrum des Wagens weiterhin zur Verfügung, solange auch nur ein Tropfen Benzin vorhanden ist. Die Meiler an Bord der POINT OF konnten von Sparbetrieb auf volle Leistungsabgabe umschalten, indem sie von ihrer eigenen Tofirit-Auskleidung zehrten, sich also sozusagen selbst verheizten. Da das Schiff aber weiterhin im Energiesparbetrieb lief, wurden so Kapazitätsanzeigen von bis zu 800 Prozent (in Bezug auf den Sparmodus) realisiert.

Nachdem es den Terranern schließlich gelungen war, das Geheimnis der Betankung der Ringraumer zu lüften, konnten diese Schiffe endlich im Vollbetriebsmodus gefahren werden: Die Energie, die bisher nur in Notfällen für kurze Zeit zur Verfügung stand, war nun dauerhaft abrufbar. Also hatte Kurt Brand mit seinen phantastischen Belastungswerten doch nicht gegen die ungeschriebenen Gesetze der SF verstoßen. Er hatte nur nicht mehr die Gelegenheit, dieses Geheimnis der POINT OF selbst aufzuklären.

 
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